Klimalexikon

Biodiversitätskrise

Viele sprechen mittlerweile vom Klimawandel als Klimakrise. Dies soll die Dringlichkeit des Klimawandels hervorheben und zeigen, dass schnelle und effektive Maßnahmen zum Klimaschutz notwendig sind. Begründet wird dies durch die Häufung von Extremwetterereignissen, die heißer werdenden Sommer weltweit und die immer spürbareren Folgen. Doch kaum jemand spricht von der Biodiversitätskrise, die parallel zur Klimakrise stattfindet. Warum ist auch hier ein Fokus so wichtig?

Biodiversität bedeutet die Vielfalt des Lebens auf der Erde. Sie umfasst alle Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen sowie die Lebensräume, in denen sie vorkommen. Biodiversität ist wichtig, weil alle Lebewesen miteinander verbunden sind und voneinander abhängen, um zu überleben. Zum Beispiel benötigen Pflanzen Insekten zur Bestäubung, und Raubtiere regulieren die Populationen anderer Tiere. Wenn die Vielfalt der Arten abnimmt, kann das gesamte Ökosystem aus dem Gleichgewicht geraten. Biodiversität sorgt also dafür, dass die Natur gesund und stabil bleibt.

Nun ist es so, dass die Biodiversität weltweit unter Druck steht – aus vielen komplexen Gründen. Die Biomasse von Insekten hat in den letzten Jahren um 75 % abgenommen, Wälder und Seen stehen unter Stress und kippen zunehmend. Das Kippen beschreibt den Prozess, bei dem sich die Biodiversität durch äußere Einflüsse so stark verändert, dass Wälder oder Seen nicht mehr wie zuvor funktionieren können. Durch Hitze wachsen zum Beispiel vermehrt Algen in Seen, die den Sauerstoff im Wasser aufbrauchen und unkontrolliert wachsen, oder Bäume in Wäldern, die durch Trockenheit geschwächt sind und Hitzeschäden aufweisen. Solche Bäume sind dann viel anfälliger für Krankheiten oder Insektenbefall, der sie zerstört. Dies hat zur Folge, dass ganze Ökosysteme unter Druck stehen und drohen zu kippen – also irreversiblen Schaden nehmen.

Durch den Klimawandel und seine Folgen erhöht sich dieser Druck auf die Ökosysteme, je schwerwiegender die Folgen werden. In der Klimaforschung spricht man auch von sogenannten Kipppunkten. Dies bedeutet, dass wenn der Klimawandel bestimmte Schwellenwerte, wie Temperaturrekorde oder häufigere Extremwetterereignisse, erreicht, viele Ökosysteme weltweit kippen können. Wenn mehr Ökosysteme kippen, besteht die Gefahr, dass auch andere, miteinander verbundene Ökosysteme folgen. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden, da diese Ökosysteme auch dafür sorgen, den Klimawandel durch CO2-Speicherung zu verlangsamen.

Die Biodiversitätskrise betrifft auch unsere Nahrungsgrundlage. Oft hört man, dass Menschen zunehmend Bienenvölker halten, um Honig zu produzieren und lokal Blumen zu bestäuben. Wildbienen sind jedoch von Honigbienen zu unterscheiden. Honigbienen bestäuben nur wenige Blütenarten, während Wildbienen auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert sind. Allein in Deutschland gibt es etwa 500 verschiedene Wildbienenarten. Wildbienen sind insgesamt effektivere Bestäuber, aber wenn sie mit Honigbienen konkurrieren, gehen sie oft leer aus, da Honigbienen eine größere Vielfalt an Pflanzen bestäuben können. Eine lokale Vielfalt an Pflanzen kann jedoch besser von Wildbienen bestäubt werden. Honigbienen sind zudem auf menschliche Pflege angewiesen und übertragen oft Krankheiten und Parasiten auf Wildbienen. Wildbienen sind also essenziell für die Biodiversität und unsere Nahrungsmittel. Das Halten von Honigbienen als Ersatz für Wildbienen funktioniert nur bedingt. Wildbienen fördern die lokale Artenvielfalt, sichern unsere Nahrungsmittelsicherheit und sind unabdingbar für den Erhalt von Ökosystemen, die unser Klima und unsere Natur schützen.

Der Schutz der Biodiversität sollte daher ebenfalls gewährleistet werden. Biodiversitätsschutz ist Klimaschutz, und das sollte auch so verstanden werden. Eine Vielfalt an Pflanzen ist ebenso wichtig, um die Vielfalt und Anzahl von Insekten zu erhalten, wie auch eine Vielfalt an Tieren, um Ökosysteme zu schützen, die wir für den Klimaschutz und die Klimaanpassung benötigen. So kann ein Kippen der Ökosysteme vermieden werden. Der Biodiversitätsschutz kann auch dazu beitragen, unsere Städte lebenswerter zu machen: Wälder mit einer vielfältigen Struktur und Artenvielfalt helfen, CO2 aus der Luft zu binden, die lokale Biodiversität wiederherzustellen, die Umgebungstemperatur zu senken und bieten Erholungsräume für die Menschen. Fassadenbegrünungen mit verschiedenen Pflanzenarten helfen dabei, Gebäude zu kühlen, die Luft zu reinigen und lokale Insekten anzulocken und zu schützen. Blühstreifen und Wildblumenwiesen binden CO2, fördern die Vielfalt an Insekten, ziehen Wildbienen an, garantieren deren Erhalt und steigern die Aufenthaltsqualität von Grünflächen (sie sehen auch einfach toll aus).

Für Lützen hat der Schutz der Biodiversität eine besondere Bedeutung: Da Lützen stark landwirtschaftlich geprägt ist, müssen auf der einen Seite Maßnahmen ergriffen werden, um die Biodiversität zu fördern, da sie durch intensive Landwirtschaft oft verringert wird. Auf der anderen Seite ist der Erhalt und die Steigerung der Biodiversität wichtig, um die Landwirtschaft selbst zu sichern. Sobald Wildbienen und andere Insekten vom Aussterben bedroht sind, ist auch die Landwirtschaft in Gefahr, da die Pflanzen dann nicht ausreichend bestäubt werden.